Wird die Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet?
Die kurze Antwort auf diese Frage ist: nein, eigentlich nicht. Allerdings gibt von dieser Grundregel auch eine wichtige Ausnahme, von denen Arbeitnehmer wissen sollten. In diesem Beitrag soll der Frage auf den Grund gegangen werden, unter welchen Umständen eine Abfindung auf das Arbeitslosengeld I angerechnet wird.
Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kommt bei den meisten Arbeitnehmern mindestens einmal im Leben vor. Doch nicht immer folgt darauf direkt die nächste Anstellung. Die Sicherung des Lebensunterhaltes rückt in dieser Phase in den Vordergrund. Dann spielen das Arbeitslosengeld I und die Auszahlung einer Abfindung eine große Rolle. Hier kommen zwei Fallkonstellationen zum Tragen: 1. Das Arbeitsverhältnis wird vorzeitig beendet und deshalb wird eine Abfindung ausgezahlt oder 2. Es wird eine Sperrfrist verhängt.
- Wann wird die Abfindung auf das Arbeitslosengeld I angerechnet?
Bei einem Jobverlust ist eine Abfindung eine willkommene Möglichkeit, die finanziellen Folgen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugleichen. Auch das Arbeitslosengeld I stellt eine Option dar, die finanzielle Situation abzufedern. Allerdings muss hier die Vereinbarkeit genau geprüft werden, falls sowohl eine Abfindung ausgezahlt wird als auch das Arbeitslosengeld I bezogen wird.
Mit dem Begriff „Anrechnung“ auf das Arbeitslosengeld (ALG) ist dabei jedoch nicht gemeint, dass sich das ALG in der Höhe verändert. Auch die Bezugsdauer des ALG bleibt gleich. Aber der Zeitpunkt, des Erstbezuges des Arbeitslosengeldes I verschiebt sich durch die Auszahlung der Abfindung. Diesen Zeitraum bezeichnet man als Ruhenszeit.
Allerdings tritt diese Ruhenszeit nicht immer ein, nur weil eine Abfindung gezahlt wird. Nur, wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Entlassene mit einer Ruhenszeit rechnen:
- Das Arbeitsverhältnis wird früher beendet als es bei einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers gewesen wäre:
In diesem Fall muss zunächst hypothetisch geprüft werden, wann der Arbeitsvertrag im Falle einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber beendet gewesen wäre.
Das bedeutet: Angenommen ein Arbeitnehmer ist seit 20 Jahren bei ein und demselben Unternehmen beschäftigt. Das Unternehmen hat allerdings finanzielle Schwierigkeiten bekommen und entscheidet sich deshalb, den Arbeitnehmer im März des laufenden Jahres zu kündigen. Es wird ein Aufhebungsvertrag aufgesetzt.
Der Arbeitgeber könnte zwar auch eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung gemäß § 1a Kündigungsschutzgesetz aussprechen, allerdings würde das Arbeitsverhältnis dann erst sieben Monate später enden, aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers.
Bei einer Kündigung im März des laufenden Jahres also erst zum 31. Oktober des laufenden Jahres.Deshalb einigen sich beide Parteien auf einen Aufhebungsvertrag, der ebenfalls eine Abfindung vorsieht. Der Vertrag regelt ein Auslaufen des Arbeitsverhältnisses zum 31. März des laufenden Jahres.Allerdings droht eine Ruhenszeit nicht nur, wenn ein Aufhebungsvertrag vereinbart wird. Auch bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist enden. Nämlich wenn vor Gericht oder durch einen Abwicklungsvertrag ein früheres Austrittsdatum ausgehandelt wird.
- Für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird eine Entschädigung gezahlt:
Vor allem ist hier mit einer Entschädigung eine Abfindung gemeint. Aber auch bei anderen Leistungen des Arbeitgebers kann in manchen Fällen eine Ruhenszeit eintreten. Zum Beispiel bei einem Kranken- oder Mutterschaftsgeld oder bei Urlaubsabgeltung oder einem Gehalt trotz dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses.Nimmt man das Beispiel des Arbeitnehmers, der 20 Jahren bei einem Unternehmen beschäftigt war und mit einer Abfindung gekündigt wurde. Die Bundesagentur für Arbeit müsste hier dementsprechend eine Ruhezeit anordnen. Das Arbeitslosengeld würde der Arbeitnehmer wegen der Abfindung erst später erhalten. Nämlich spätestens ab dem 1. November. Ab diesem Zeitpunkt kann er das ALG I für die gesamte Bezugsdauer in voller Höhe erhalten.
Aber: Eigentlich führt die Auszahlung von Überstunden nicht unbedingt zu einer Ruhenszeit. Deshalb sollten offene Lohnzahlungen besser nicht mit einer Abfindung verrechnet werden. Das kann ungewollt zu einer längeren Ruhenszeit führen, weil für die Arbeitsagentur nicht klar ersichtlicht sein könnte, dass in der Abfindungshöhe ebenfalls ein Restlohn enthalten ist. Für die Berechnung der Ruhenszeit wäre diese deshalb zu kürzen. Im Aufhebungsvertrag sollte deshalb der offene Lohn gesondert ausgewiesen werden.
- Die Dauer des Ruhens
Doch die exakte Berechnung der Ruhenszeit ist kompliziert. Deshalb ist die gesonderte Ausweisung von Posten, wie Restlohn, wichtig.
Grundsätzlich wird die Zahlung des ALG so lange ausgesetzt, bis die Kündigungsfrist einer hypothetischen ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber abgelaufen wäre. Der Startzeitpunkt wird auf den Tag des Abschlusses des Aufhebungsvertrages gesetzt.
Allerdings gilt folgende Besonderheit zugunsten des Arbeitnehmers:
Bei der Berechnung der Ruhenszeit für das ALG I werden maximal 60 Prozent der Abfindung berücksichtigt.
Das Arbeitslosengeld wird ausgezahlt, sobald der Entlassene 60 Prozent (o.ä.) des Betrages der Abfindung durch den regulären Lohn verdient hätte – sofern er weiter im Betrieb angestellt gewesen wäre.
Die Höhe der Anrechnung der Abfindung an das Arbeitslosengeld hängt dabei von diesen Faktoren ab:
- Von der Höhe der Abfindung selbst,
- Dem Durchschnittsgehalt der letzten 12 Monate,
- Dem Alter des Arbeitnehmers
- Und der Dauer der Anstellung bei dem Betrieb.
Der beste Fall für den Arbeitnehmer wäre eine Anrechnung der Abfindung an das Arbeitslosengeld in Höhe von 25 Prozent.
Beispiel: Angenommen, ein 35-jähriger Arbeitnehmer gehört seit vier Jahren dem Betrieb an. Die Abfindung würde dann zu 60 Prozent angerechnet werden. Im Falle eines 65-jährigen Arbeitnehmers mit einer Betriebszugehörigkeit von 45 Jahren, werden nur 25 Prozent der Abfindung an das ALG I angerechnet. Aufgrund dieser Regelung kann letzterer bereits früher das Arbeitslosengeld beziehen, trotz einer vermutlich hohen Abfindung.
Es können noch weitere Gründe dazu führen, dass das Arbeitslosengeld früher ausgezahlt wird. Zum Beispiel, wenn das Arbeitsverhältnis in Kürze ohnehin wegen einer Befristung geendet hätte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt endet dann auch die Ruhenszeit.
Im Gegensatz dazu steht die Urlaubsabgeltung. Hat der Arbeitnehmer eine solche erhalten, wird die Ruhenszeit entsprechend der Dauer des abgegoltenen Urlaubs verlängert.
Arbeitnehmer sollten allerdings grundsätzlich mit einem Anwalt für Arbeitsrecht berechnen, wie hoch die Anrechnung an das Arbeitslosengeld im jeweiligen Fall ausfällt. Dadurch können Betroffene besser abschätzen, ob sich eine Abfindung lohnt oder sie besser abgelehnt werden sollte.
- Wie kann die Anrechnung der Abfindung verhindert werden?
Hierfür kommen zwei Optionen in Frage
- Arbeitnehmer sollten zunächst darauf achten, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig, also vor einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber, endet. Denn dies kann im Aufhebungsvertrag flexibel vereinbart werden. Endet es nicht vor dem einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers, würde die Arbeitsagentur keine Ruhenszeit anordnen.
- Wurde bereits eine Ruhenszeit durch die Agentur für Arbeit angeordnet, müssen Betroffene diese jedoch nicht in allen Fällen akzeptieren. Es kann ein Widerspruch bei der Bundesagentur für Arbeit gegen die Anordnung eingelegt werden. Die Behörde muss dann aufgrund dessen ihre Entscheidung prüfen. Was dazu führen kann, dass die Anordnung unter Umständen geändert wird. Hält die Arbeitsagentur an der Ruhenszeit fest, kann eine Klage erhoben werden. Dann sollte allerdings spätestens zu diesem Zeitpunkt ein erfahrener Anwalt hinzugezogen werden.
- Aber: Es kann nur innerhalb eines Monats ab Zugang des Bescheids der Bundesagentur für Arbeit mit der Anordnung einer Ruhenszeit ein Widerspruch erhoben werden. Verstreicht diese Frist, ist ein Abwehren der Ruhenszeit wenig aussichtsreich.
- Fazit
- Zunächst bleibt festzuhalten, dass die Anrechnung der Abfindung an das Arbeitslosengeld I keine Veränderung des Zeitraums der Auszahlung des ALG, oder eine Veränderung in der Höhe der ALG-Auszahlung bedeutet. Sondern, dass eine Ruhenszeit angeordnet wird und sich deshalb der Zeitpunkt der ersten Auszahlung des ALG nach hinten verschiebt.
- Grundsätzlich kann allerdings eine Anrechnung der Abfindung nur drohen, wenn das Arbeitsverhältnis frühzeitiger endet, als es bei einer Aussprache einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber der Fall gewesen wäre.
- Betroffene können gegen die Anordnung einer Ruhenszeit Widerspruch bei der Bundesagentur für Arbeit einreichen. Anschließend kann auch eine Klage eine Option sein. Allerdings muss für den Widerspruch eine Frist von einem Monat ab Zugang des Bescheids durch die Behörde eingehalten werden.